loader image
  • DE
  • Solarfassade als Multitalent

    Die schwarz glänzende Fassade der beiden neuen Wohnhäuser im Fehlmann-Park Winterthur verbirgt eine vertikale Photovoltaik-Anlage. Zusammen mit der Dachanlage produziert diese nicht nur über 50 Prozent des Stromeigenbedarfs. Das hier zum Einsatz kommende hinterlüftete Fassadensystem von GFT Fassaden erfüllt dank seiner wärmedämmenden Eigenschaften die Vorgaben für die Minergie-, Minergie-P(-Eco) und Passivhauszertifizierung.

    In den kommenden Jahren muss sich die CO2-Bilanz von Gebäuden signifikant verbessern, damit das Netto-Null-Ziel zum Schutz des Klimas erreicht werden kann. Solaraktive Bauelemente werden für innovative Architekten, Ingenieure, Investoren und Stadtplaner in diesem Kontext zunehmend interessanter. Bei der sogenannten bauwerkintegrierten Photovoltaik (BIPV) dienen die Bauelemente der Gebäudehülle nicht nur der Stromgewinnung. Sie übernehmen auch Funktionen wie Wärmedämmung, Wind- und Wetterschutz und können – dank einem vielseitigen Angebot an Farben und Texturen – als Gestaltungselement für Gebäude und ganze Stadtteile eingesetzt werden.

    Effiziente Stromerzeugung
    In den letzten Jahren hat sich für die Strom- und Energieerzeugung in der Gebäudehülle ein äusserst vielversprechender Trend etabliert: die Solarfassade mit einer vertikalen Montage der Photovoltaik-Module auf einer hinterlüfteten Unterkonstruktion. Neben der Verdoppelung der Effizienz der Solarmodule in den letzten 20 Jahren und immer attraktiveren Kosten ermöglicht die hohe Lichtempfindlichkeit der heutigen Zellen eine effiziente Stromerzeugung auch bei diffusem Licht. Deren niedrige Temperaturabhängigkeit sorgt zudem für eine stabile Stromproduktion bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Immer mehr werden Photovoltaik-Module deshalb auch an Ost- und Westfassaden eingesetzt. Attraktiv für Architekturschaffende ist die vertikale Photovoltaik-Anlage auch aufgrund des heute äusserst vielfältigen Angebots an Farben, Oberflächenstrukturen und -texturen, wobei je nach Wunsch die Zellen sichtbar oder – durch farbiges oder bedrucktes Glas verdeckt – unsichtbar sind.

    © DOMINIC MÜLLER PHOTOGRAPHY

    Architektonisch integriert
    2010 realisierten Bob Gysin Partner BGP Architekten aus Zürich im 15 000 Quadratmeter grossen Park der historischen Villa Fehlmann von 1928 sechs pavillonartige Wohnbauten, die den Wunsch nach Wohnen im Grünen und zugleich in der Stadt in Einklang bringen. Seit August 2020 vervollständigen zwei neue, freistehende Wohngebäude die Arealüberbauung. Auf den ersten Blick sind sie von den älteren Bauten kaum zu unterscheiden. Bei genauerem Hinsehen und je nach Sonneneinfall wird jedoch erkennbar, dass statt der schwarz emaillierten Glaspaneele stromproduzierende Photovoltaik-Module der Fassade vorgehängt sind. Diese wurden von Ertex Solartechnik GmbH aus Österreich auf Mass für das Projekt gefertigt; mit Verbundsicher-heitsgläsern VSG ESG 4/5 in verschiedenen Grössen, damit die Photovoltaik-Module passgenau in die Fassade integriert werden konnten. Trotz der Verwendung von komplett schwarz emailliertem Glas (0 Prozent Transparenz) besitzen die insgesamt 210 Photovoltaik-Module bei den beiden neuen Gebäuden eine Leistungsausbeute von 87,7 Wp/m2.

    Fassade mit zahlreichen Funktionen
    Für den Einsatz von Photovoltaik-Elementen an der Fassade fanden Bauherrschaft und Architekten im Fehlmann-Park in Winterthur ideale Voraussetzungen vor: eine vorteilhafte Lage, trotz Baumbestand wenig Verschattung sowie die bereits vorhandenen Bestandsbauten mit ihrer schwarz glänzenden Fassade. Dies war im Grunde eine glückliche Fügung, denn den Wohnhäusern kommt sowohl gestalterisch als auch städtebaulich eine nicht unwesentliche Rolle zu: Der Park mit seinem historischen Gartenpavillon steht seit 2003 unter Denkmalschutz und ist öffentlich zugänglich. «Die Fassade übernimmt in diesem Fall eine Vielzahl an Aufgaben: neben der Stromproduktion Funktionen wie Schutz, Klimaregu-ierung, Repräsentation und Identifika-tion», so die Architekten. Durch einen zurückversetzten Sockel und die Spiegelungen in der Glasfassade scheinen die Gebäude je nach Sonneinfall in der Parklandschaft zu schweben und erscheinen teilweise fast immateriell.

    Stromspitzen besser abgedeckt
    Bei der Evaluation des Strombedarfs der Wohnungen und der Leistungsfähigkeit der Solarzellen zeigte sich, dass die morgendlichen und abendlichen Spitzen besser durch vertikal platzierte Photo-voltaik-Module abgedeckt werden kön-nen als eine entsprechende Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Auch produziert die bauwerkintegrierte Photovoltaik in der Fassade im Tages- und Jahresverlauf gleichmässiger Strom. Um die Leistung zu verdreifachen und den Verbrauch selbst produzierter Energie zu erhöhen, wur-den die beiden neuen Wohngebäude zu-sätzlich noch mit einer Dachanlage aus-gestattet. Darüber hinaus verfügen die Häuser auch über Ladestationen für Elek-troautos und -velos sowie einen Anschluss für den späteren Einbau eines Speichers. Insgesamt kann der Stromverbrauch der Wohneinheiten so bis zu 54 Prozent durch Photovoltaik gedeckt werden.

    Unterkonstruktion
    Für die Unterkonstruktion der schwarz glänzenden Glaspaneele kam das wärmebrückenfreie Grundsystem GFT Thermico® sowie das Aufbausystem GFT 66V von GFT Fassaden AG zur Anwendung. Dank der horizontal oder vertikal anzubringenden Konsolen und Träger in verschiedenen Tiefen konnte mit GFT Thermico® die Dämmstärke reduziert und im Vergleich zu einer Metallkonstruktion sogar ein bis zu 40 Prozent besserer U-Wert erreicht werden. Die technischen Installationen werden geschützt und von aussen unsichtbar im Hinterlüftungsraum der Fassade geführt. Allgemein haben vertikale Photovoltaik-Module den Vorteil, dass es geringere Schmutzablagerungen gibt als auf Photovoltaik-Modulen bei Dachanlagen. Die Wartung und der Austausch kann bei jedem einzelnen Modul dank der Befestigungstechnik vorgenommen werden. Diese ermöglicht durch Lösen und Abklappen jederzeit Zugriff auf die technischen Anlagen. Die Photovoltaik-Module werden von der GFT Fassaden AG fertig mit Unterkonstruktion auf die Baustelle geliefert.

    Vorbildsfunktion

    Die beiden Wohngebäude im Fehlmann-Park in Winterthur zeigen vorbildlich und wegweisend, wie bauwerkintegrierte vertikale Photovoltaik als schützende Fassade und zugleich als architektonisches Gestaltungselement eingesetzt werden kann; ohne dass von aussen ins Auge fällt, dass das Gebäude seinen Strom selber produziert.

    Bauherrschaft
    AXA Investment 

    Architekt
    Bob Gysin und Partner AG, Zürich

    Systemlieferant
    GFT Fassaden AG, St. Gallen

    Fassadenbauer
    K + K Fassaden AG, St. Gallen
    Planeco GmbH, Münchenstein

    Fassaden-Unterkonstruktion
    Grundsystem GFT Thermico®
    Aufbausystem GFT 66 V

    Fassaden-Bekleidung
    Photovoltaik

    Leistung
    87.7kWp

    Stromproduktion PV-Anlagen
    (Simulation): 82 100 kWh

    Eigenverbrauch (Simulation)
    24 200kWh

    Fläche
    590 m2 mit 210 Modulen in verschiedenen Grössen und 18 413 Solarzellen

    Realisation
    2019 / 2020

    Fotos
    ©Dominic Müller